Immer in Bewegung bleiben
Erzbischof Koch führt Pfarrer Karlson in sein neues Amt als Pfarreileiter ein und warnt vor Stillstand in der Kirche
Fotos: Reinhard Wilhelm
Ein Bericht von Stefan Alberti
Um genau 18:45 Uhr wird es ernst für Christoph Karlson in der Herz Jesu Kirche. Das ist schon daran abzulesen, dass Erzbischof Heiner Koch, der ihn an diesem Sonntagabend Mitte November in sein neues Amt einführt, nun nicht schlicht mit Käppchen, sondern in vollem Ornat vor ihm steht. Mitra auf dem Kopf, Bischofsstab in der Hand, fragt er den Mann, der nach mehreren Jahren als Seelsorger in Potsdam nun die Pfarrei Johannes Bosco übernehmen soll: „Bist Du bereit das Amt des Pfarrers….“
Ja, er sei bereit, sagt Karlson, hält wenig später symbolisch den Kirchenschlüssel in der Hand und ist damit auch offiziell Nachfolger von Carl-Heinz Mertz, der seit 2005 erst die Gemeinde Herz Jesu/St. Otto, dann bis September die ganze Pfarrei leitete.
Es ist ein ungewohnter Anblick, der sich den über 300 Gottesdienst-besuchern in dieser besonderen Messe bietet. Der Altarraum wirkt, starker Kontrast zu Dunkelheit und Nässe draußen vor der Tür, wie mit einem frühlingshaft grünen Teppich ausgekleidet: Mit dem Erzbischof stehen neun ganz in grün gewandete Priester und Diakone am und um den Altar.
Im Evangelium geht es um die Geschichte von den Jungfrauen, die auf den Bräutigam warten und teils zu wenig Öl dabeihaben. Der Erzbischof zieht eine Parallele zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage. „Die Welt scheint aus den Fugen“, sagt er. Nicht nur die Frauen seien erschöpft vom langen Warten, auch die Gesellschaft wirke so.
Koch wendet sich gegen Stillstand in der Kirche. Die müsse in Bewegung bleiben, so wie auch die Jungfrauen in der Bibelgeschichte unterwegs sind. „Brecht immer wieder auf“, fordert der Bischof die mehrere hundert Menschen in der Herz Jesu-Kirche auf, auch wenn das manche überfordere.
Für die vier Johannes-Bosco-Gemeinden von Lichterfelde bis Wannsee begrüßen der Pfarreiratsvorsitzende Markus van der Giet und Karl Riesen-huber als Vizechef des Kirchenvorstands den Neuen. „Wir sind eine große, selbstbewusste und starke Pfarrei“, sagt Riesenhuber, und das mit der Stärke betont er dann noch ein oder zwei Mal. Für den einen oder die andere in den Kirchenbänken wirkt diese Betonung wie eine deutliche Ansage an Pfarrer Karlson, umso mehr, weil der ein eher schmaler Mann ist. Andere begrüßen ihn musikalisch: Der Kirchenchor singt, die Choralschola bringt lateinische Klänge ins Ohr, und mehrere Instrumentalisten sorgen mit Organist Johannes Kaufhold für die Begleitung des Ganzen.
Die offizielle Amtseinführung geht nach dem Gottesdienst inoffiziell weiter: Im Pfarrsaal nebenan gibt es etwas zu essen und zu trinken, an die offiziellen Worte des Bischofs schließen sich viele Gespräche mit guten Wünschen und Begrüßungen an. Koch ist dabei genauso nahbar wie kurz vorher noch bei der Kommunion: Dort hat er die Hostien nicht vorne, sondern von vielen umringt zwischen den Bänken im Mittelschiff verteilt.
Beim Rausgehen in die dunkle Nacht kommt die Erinnerung an die Jungfrauen aus Evangelium und Kochs Predigt wieder auf: In Bewegung bleiben, hat der Bischof gemahnt, auch wenn es manchmal schwerfalle – und hat damit mutmaßlich nicht das nun anstehende nach Hause radeln gemeint.