Sackgasse oder Zielgerade?
Synodaler Weg – die vierte Runde
Vortrag von Wolfgang Klose am 28.9.2022 in der Gemeinde „Zu den Hl. zwölf Aposteln“
„Schock, Fassungslosigkeit, Ungläubigkeit. Tränen“,
so beginnt der Leitartikel in unserer Kirchenzeitung nach der gescheiterten Verabschiedung des Grundtextes „Leben in gelingenden Beziehungen- Grundlagen einer erneuerten Sexualethik“ der 4. Vollversammlung des Synodalen Wegs Anfang dieses Monats. Gut getimt lud die Zwölf-Apostel-Gemeinde den Vize-Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Wolfgang Klose zu einem Gesprächsabend ein.
Wolfgang Klose vertritt das Erzbistum Berlin in der Synodalversammlung und hat in dem besagten Forum IV mit viel Herzblut, wie er sagte, an dem Papier mitgearbeitet. In St. Otto hat er in der Fastenzeit eine der vier „Anstatt“-Predigten gehalten
Der Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen“, forderte eine Sexualmoral, die der Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert entspricht; so sah man zum Beispiel einen Reformbedarf bei der Frage der Empfängnisverhütung, dem Umgang mit homosexuellen Partnerschaften, wiederverheiratet Geschiedener, Anerkennung der Gleichwertigkeit und Legitimität nichtheterosexueller Orientierungen.
Zur Verabschiedung eines Grundtextes in zweiter Lesung ist nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Delegierten notwendig, sondern auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe. Fast 83% der Delegierten stimmten zwar für das Papier, doch durch die Sperrminorität der Bischöfe wurde es abgelehnt:33 Ja /21 Nein /3 Ent-haltungen. Die Abstimmung wird natürlich respektiert, sagt Herr Klose, aber was die Situation so schlimm gemacht hat, war das Wegducken der Bischöfe. Bei der Generaldebatte haben sich nur drei Bischöfe geäußert bei ca. 45 weiteren Meldungen, es war in der Debatte vorher überhaupt nicht klar, dass es von bischöflicher Seite so viel Vorbehalte gab. Hätten diese Bischöfe mitdiskutiert, hätte man durchaus Kompromisse finden können. Aber sie haben nicht diskutiert, nur anonym abgestimmt.
Klose beschreibt auch mit Hilfe von Fotos die emotionalen Reaktionen, Zusammenbrüche und Tränen. Aber es gab auch bei Einigen Genugtuung. So postete
z.B. eine Vertreterin von Maria 1.0 ein Bild auf Facebook „Te Deum Laudamus“.
„Wollen wir überhaupt weiter?“
Der Synodale Weg machte trotz dieses Eklats weiter. Ein Scheitern wäre ein falsches Signal gewesen. Auch aus den Reihen der Bischöfe kam die Bitte an die Synodalen zu bleiben. Menschen, stark im Glauben, sagten, dass wir diese Veränderungen, die in über zwei Jahren erarbeitet wurden, unbedingt brauchen, betont Klose.
Nach intensiven Gesprächen einerseits der Bischöfe und andererseits der Nichtbischöfe wurden Veränderungen in der Diskussionskultur vereinbart: Jetzt durfte jeder zwei Minuten reden und es wurde eine namentliche Abstimmung beschlossen. Wolfgang Klose berichtete ausführlich über die einzelnen Abstimmungen über den Grundtext „Frauen in allen Diensten und Ämtern“ und über Ergebnisse in einzelnen Foren. Immer gab es nach ausführlichen Diskussionen und Änderungsanträgen, zu denen sich jetzt auch Bischöfe und Weihbischöfe äußerten, überwältigende Mehrheiten für die Textvorlagen.
So wurden zum Beispiel die Handlungstexte zur Neubewertung von Homosexualität sowie zum Arbeitsrecht mit großer Zustimmung angenommen. Alle Texte, Abstimmungsergebnisse etc. können übrigens auf der Webseite des Synodalen Weges nachgelesen werden. Der gesamte Verlauf der Tagung ist auch als Video abrufbar.
Der Referent berichtet auch über skurrile Vorgänge wie zum Beispiel den Antrag auf „Abschaffung der Feststellung des Zustandes äußerlicher Geschlechtsmerkmale im Zuge der Aufnahme ins Priesterseminar (wo dies noch üblich ist)“,
142 Ja-Stimmen, 20 Nein und 11 Enthaltungen.
Was macht „Kirche“ aus?
Von Wolfgang Klose kommt die knappe aber deutliche Antwort: Menschen für die Botschaft Jesu zu begeistern. Die immer weiter ansteigenden Austrittszahlen sprechen eine andere Sprache.
Der Synodale Weg möchte nach dem Missbrauchsskandal, den erschütternden Ergebnissen der Studie zu sexuellem Missbrauch in der deutschen Katholischen Kirche (MHG-Studie) vom Herbst 2018, verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
Zur Historie:
Die Bischofskonferenz (DBK) ersuchte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) um Unterstützung bei der Aufarbeitung der MHG-Studie. Im Hinblick auf den folgenlosen Dialog-Prozess 2011-2015 sagte das ZdK nur zu, wenn auf Augenhöhe gesprochen wird. Zu den von den Bischöfen vorgeschlagenen drei Themenbereichen – Macht und Gewaltenteilung, Leben in gelingenden Beziehungen, Priesterliche Existenz heute – kam nun noch ein vierter Bereich dazu: Frauen in Ämtern und Diensten in der Kirche.
Die Wahl der Themenbereiche ergab sich aus der Analyse der MHG-Missbrauchsstudie. Eine weitere Bedingung war ein Abschluss nach vier Jahren, nach insgesamt vier Foren. Durch Corona kann bekanntlich der Zeitplan nicht eingehalten werden.
Zur Zusammensetzung des Synodalen Weges: Zu den 69 Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz kommen 69 Mitglieder des ZdK sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter geistlicher Dienste und kirchlicher Ämter, junge Menschen unter 30 Jahren und Einzelpersönlichkeiten, insgesamt 230 Personen. „Alle gesellschaftlichen Strömungen sind vertreten, aber die Synode ist kein Parlament“, so der Referent auf einen Einwand eines Diskussionsteilnehmers, der ausrief „Sie haben keine Legitimation für mich zu sprechen“.
Wie geht es weiter?
Die 5. und letzte Synodalversammlung findet im März 2023 statt. Darüber hinaus wird es einen Synodalen Ausschuss geben, der später zu einem Synodalen Rat werden soll.
In der Satzung des Synodalen Wegs steht eindeutig, dass es selbstverständlich Themen gibt, die „einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind“. So wird in dem Text, der dem Wunsch nach einer Zulassung von Frauen zu Weiheämtern Nachdruck verleiht, der Papst gebeten, entsprechende Reformideen auf Weltebene zu prüfen. Einen nationalen Alleingang wird es nicht geben.
Anderes kann jedoch jeder Ortsbischof sofort umsetzen. Klose: „Wir müssen jetzt in unserem Erzbistum aktiv werden – wir müssen mit den verabschiedeten Texten der 2. Lesung konkret in Umsetzung gehen, den Grundtext über eine neue Sexualethik diskutieren und mit dem Erzbischof beraten, wie damit bei uns weiter umgegangen wird; sofortige Umsetzung der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes; den Synodalrat auf Bistumsebene umsetzen. Jeder Ortsbischof hat das Recht zu sagen, wer wann wo predigen darf.“ Andererseits wird ein Beschluss des Synodalen Wegs erst dann wirksam, wenn er vom Ortsbischof in Kraft gesetzt wird.
Die Wirkung des Synodalen Wegs auf die Weltkirche solle man nicht unterschätzen, so Klose. Beobachter aus vielen Teilen der Welt unterstützen die Anliegen des Synodalen Wegs, ein brasilianischer Bischof wird zitiert: „Macht weiter!“ Wolfgang Klose: „Wenn der Synodale Weg scheitert, wird noch vieles andere in der katholischen Kirche scheitern!“
Ulrich Zabel